Begleiteter Freitod

Tabubruch oder Menschenrecht? 

Die Diskussion um den assistierten Suizid gewinnt zunehmend an Bedeutung, auch weil der Gedanke, das Ende seines Lebens selbst bestimmen zu können, für viele Menschen kein Tabu mehr ist. In Deutschland hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2020 zwar einen Schritt in Richtung Selbstbestimmung gemacht, doch die fehlende gesetzliche Regelung lässt viele Fragen offen und führt zu Unsicherheiten.

Im Februar 2020 verkündete das Bundesver­fassungs­gericht (BVerfG) ein klares Grund­satz­urteil: Es gibt ein Recht auf selbst­bestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und – so weit angeboten – von Dritten Hilfe in Anspruch zu nehmen (Bundes­verfassungs­gericht, Az. 2 BvR 2347/15 u.a.). 

Besonders kontrovers diskutiert wird der assistierte Suizid bei psychisch Kranken. Laut dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben auch Menschen mit psychischen Leiden und Depressionen das Recht auf selbstbestimmtes Sterben. In der Praxis wird jedoch besonders genau geprüft, ob die Suizidabsicht auf einer dauerhaften, freien Entscheidung basiert oder auf einer behandelbaren Krise beruht. Von den 139 Suiziden, die der Verein Sterbehilfe 2022 in Deutschland begleitet hat, waren 132 aus körperlichen und vier aus psychischen Gründen. 

Mit diesem Urteil hat das BVerfG auch das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) für nichtig erklärt. Neben der passiven und indirekten Sterbehilfe ist somit auch der assistierte Suizid unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Doch ein Gesetz, das die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ regelt, gibt es nicht. Im Bundestag wurden zwar etliche Gesetz­entwürfe zur Regelung der Sterbe­hilfe diskutiert, wegen fehlender Mehr­heiten aber nicht verabschiedet. Sterbehilfevereine wie auch Ärzt*innen bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone. 

Situation in Europa

Während der begleitete Freitod in Deutschland ein komplexes und emotional aufgeladenes Thema bleibt, das noch nicht vollständig gesetzlich geregelt ist, haben einige europäische Länder bereits klare Gesetze. 

In Belgien, Luxemburg und den Niederlanden ist die aktive Sterbehilfe legal, zum Teil schon seit Jahrzehnten. Auch das katholische Spanien erlaubt seit 2021 die aktive Sterbehilfe, Portugal folgte 2023. In den meisten europäischen Staaten ist lediglich die passive Sterbehilfe, und selbst die unterliegt strengen Auflagen. Finnland und Österreich verbieten die aktive Sterbehilfe, jedoch gibt es Möglichkeiten für assistierten Suizid. In Frankreich ist gerade eine umfassende Reform im Gange.

In der Schweiz, wo die erste Sterbehilfeorganisation bereits 1982 gegründet wurde, ist Beihilfe zum Suizid zulässig, solange keine eigennützigen Motive vorliegen. Jährlich wählen rund 1.300 Schweizer*innen diesen Weg. Aufgrund der vergleichsweise lockeren Regeln hat sich die Schweiz aber auch für Ausländer*innen zu einem attraktiven Zielland für den assistierten Suizid entwickelt. 2023 haben 250 Personen aus dem Ausland die Sterbehilfe in der Schweiz in Anspruch genommen, darunter fünf Deutsche. 2020 gab es noch 84 deutsche ‚Sterbetouristen‘, die Zahl ist erst mit dem BVerfG-Urteil rapide gesunken.

Die Arbeit der Sterbehilfevereine

Seit dem BVerfG-Urteil haben Sterbehilfevereine, die ab 2015 verboten waren, ihre Arbeit wieder aufgenommen. Die Aufgabe von Vereinen wie die Deutsche Gesell­schaft für Humanes Sterben (DGHS) e. V., Dignitas-Deutsch­land e. V. und der Verein Sterbe­hilfe ist die professionelle und rechtssichere Vermittlung und Begleitung von Sterbewilligen auf dem Weg zu Freitod. Ihr zentrales Anliegen ist ein zuverlässiger und würdevoller Suizid, bei dem der Wille des Menschen bis zum letzten Augenblick gewahrt bleibt. 

Sterbehilfeorganisationen bieten aber nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch deren Familien und Freund*innen psychologische Unterstützung an. Denn der Tod eines nahestehenden Menschen ist für Angehörige oft mit starken emotionalen Belastungen verbunden, auch dann, wenn er selbstbestimmt vonstattengegangen ist.

www.dghs.dewww.dignitas.dewww.sterbehilfe.de

Was bedeutet aktive Sterbehilfe? Und worin unterscheidet sie sich von passiver und indirekter Suizidhilfe? 

– aktive Sterbehilfe: Tötung durch eine andere Person auf Verlangen.

– assistierter Suizid: Beihilfe zur Selbsttötung. Der/die Sterbewillige nimmt das todbringende Mittel selbst ein.

– indirekte Sterbehilfe: Der Tod tritt durch die Nebenwirkungen verordneter Medikamente wie Morphium ein.

– passive Sterbehilfe: Der/die Sterbewillige bricht eine lebenserhaltende Behandlung ab und/oder beginnt zu fasten.

Titelbild: Pexels/Anna Shvets