Digitale Wiederbelebung

Trauerbewältigung der Zukunft?

Die Digitalisierung hat unser Leben grundlegend verändert, und nun auch den Umgang mit Verlust und Trauer. Grief Tech, die Möglichkeit, verstorbene geliebte Menschen in digitaler Form „wiederzubeleben“, eröffnet neue Wege der Trauerbewältigung. Aber sind wir für dafür bereit? 

Trauerbewältigung mittels „digitaler Wiederbelebung“ beschreibt den Einsatz von Technologien, um aus den gespeicherten digitalen Daten einer verstorbenen Person eine Art digitale Präsenz zu erschaffen. Das können Chatbots sein, die auf Basis von früheren Nachrichten und Beiträgen in sozialen Netzwerken trainiert werden, oder virtuelle Avatare, die auf Fotos und Videos basieren. 

Digitales Leben nach dem Tod

Auf der Online-Plattform „Project December“, die von Videospielentwickler Jason Rohrer als Kunstprojekt gestartet wurde, können Nutzer*innen für zehn Dollar textbasierte Konversationen mit jeder Person führen, auch mit Verstorbenen. Startups wie YOV (You, Only Virtual) erstellen aus Textnachrichten und Videoaufzeichnungen sogenannte „Versonas“, virtuelle Personas von Verstorbenen. Diese „Versonas“ können in Echtzeit kommunizieren und sogar selbstständig anrufen oder Nachrichten verschicken. Auch andere Unternehmen wie Deepbrain AI nutzen KI, um Avatare von Verstorbenen zu erschaffen. Mit „Re;memory 2“ hat das Unternehmen eine Innovation vorgestellt: Mit nur einem Foto und einer Sprachdatei oder einem Video mit Ton lassen sich hochrealistische KI-Avatare erstellen.

All diese Konzepte fallen in die Kategorie „Grief Tech“, bei der Unternehmen generative KI und virtuelle Realität nutzen, um digitale Versionen von Verstorbenen zu erstellen, damit Hinterbliebene mit ihnen in Kontakt bleiben können. Die Technologie ist so weit fortgeschritten, dass Avatare fast nicht mehr von echten Menschen zu unterscheiden sind.

https://projectdecember.nethttps://www.myyov.comhttps://www.deepbrain.io/rememory

Deadbots spenden Trost …

Für Hinterbliebene kann die digitale Wiederbelebung eine Möglichkeit sein, das Gefühl einer Verbindung zum Verstorbenen aufrechtzuerhalten. Einige Trauernde finden Trost darin, weiterhin mit einer digitalen Version des Verstorbenen kommunizieren zu können, ungesagte Worte auszudrücken oder sich gebührend zu verabschieden. So gesehen kann der Austausch mit einer digitalen Kopie den Verarbeitungsprozess unterstützen. Eine Studie mit zehn Angehörigen, die Chatbots, auch „Deadbots“ oder „Griefbots“ genannt, zur Trauerbewältigung nutzten, zeigte überraschend positive Ergebnisse.

Tatsächlich gehen neuere Ansätze der Trauerbewältigung davon aus, dass Menschen von Natur aus das Bedürfnis haben, in Kontakt mit Verstorbenen zu bleiben. Das ist zunächst nichts Pathologisches. Dennoch ist diese Praxis nicht unumstritten. Denn die digitale Wiederbelebung kann den Trauerprozess auch verlängern. Die Gefahr, in einer Illusion zu leben, die Konfrontation mit dem Verlust hinauszuzögern und den natürlichen Trauerprozess zu stören, ist real. Ob Grief Tech zur Heilung beiträgt oder schadet, hängt somit stark von der individuellen Nutzung und Einstellung ab. 

… können aber auch Schaden anrichten

Während Unternehmen wie Project December argumentieren, dass die Nutzer*innen selbst entscheiden, wie sie mit dem Dienst umgehen, warnen Kritiker*innen vor ethischen und psychologischen Implikationen.

Ethikfachleute der Universität Cambridge haben die Risiken anhand von drei Design-Szenarien für Plattformen herausgearbeitet und ihre Empfehlungen in der Fachzeitschrift Philosophy & Technology veröffentlicht. Um die sozialen und psychologischen Risiken der digitalen Unsterblichkeit einzudämmen, fordern die Forscher*innen eine Altersbeschränkung, die klare Kennzeichnung von Avataren, damit Benutzer*innen nie vergessen, dass sie mit einer KI interagieren, sowie verbesserte Opt-out-Protokolle, die den Benutzer*innen die Möglichkeit geben, ihre Beziehungen zu Deadbots auf eine Weise zu beenden, die einen emotionalen Abschluss ermöglicht.

Ein weiteres Problem ist der digitale Nachlass. Da die Datenschutz-Grundverordnung Verstorbene nicht schützt, können Hinterbliebene nicht sicher sein, dass die Daten ihrer Angehörigen nicht weiterverwendet werden. Experten wie die Verbraucherzentrale raten daher, zu Lebzeiten Regelungen für den digitalen Nachlass zu treffen.

Es gibt mehrere Möglichkeiten zur Vermeidung von Missbrauch und zum Schutz der Privatsphäre. Die Verbraucherzentrale rät, sämtliche Zugangsdaten zu dokumentieren und eine Liste aller Online-Konten mit Benutzernamen und Passwörtern anzufertigen, diese auszudrucken und sicher zu verwahren, am besten zusammen mit einer Vollmacht. Wichtig ist auch, die Liste immer auf dem aktuellen Stand zu halten. Eine Muster-Liste steht hier zum Download zur Verfügung: https://www.verbraucherzentrale.de/node/20241

Ebenso wird dazu geraten, mit einer Vollmacht eine Vertrauensperson zu bestimmen, die den Zugang und die Entscheidungsgewalt über den digitalen Nachlass bekommt, wenn man stirbt oder selbst nicht mehr dazu in der Lage ist, sich darum zu kümmern. In der Vollmacht wird festgehalten, wie mit Accounts und Online-Profilen, aber auch mit Endgeräten, Fotos und Daten verfahren werden soll. Eine Muster-Vollmacht zum Download gibt es hier: https://www.verbraucherzentrale.de/node/20240

Bei einigen Diensten wie Facebook, Instagram und TikTok lässt sich der digitale Nachlass in den Einstellungen verwalten. Diese sogenannten Erinnerungs-Einstellungen erlauben es zu bestimmen, was nach dem Tod mit dem Profil geschieht, etwa ob es gelöscht, deaktiviert oder als Gedenkprofil erhalten bleiben soll.

Digitale Verwalter/Digitale Tresore sind Dienste, die zu Lebezeiten beauftragt werden, digitale Listen zu führen und im Todesfall wie zuvor vereinbart tätig werden. Die Verbraucherzentrale rät allerdings, hier besonders vorsichtig zu sein und die Sicherheitsstandards, etwa wo die Daten liegen, aber auch die Kosten genau zu prüfen.

Titelbild: Pexels/Limon Das