Wie sage ich meinem Kind, dass Oma tot ist?
Der Tod ist in den letzten Jahrzehnten aus der Mitte der Gesellschaft verschwunden und findet auch in den Familien kaum noch statt. Kinder werden nur in den seltensten Fällen in den Sterbeprozess von Angehörigen mit eingebunden. Umso schwieriger ist es, wenn im Ernstfall die Worte fehlen, um Trost zu spenden und um den Tod erklären zu können.
In jeder Familie wird man irgendwann zwangsläufig mit dem Tod konfrontiert. Wenn also ein geliebter Mensch stirbt, stehen die Eltern vor der Herausforderung, ihren Kindern nachvollziehbar zu erklären, was passiert ist.
Sabine Kraft, Geschäftsführerin des Bundesverbands Kinderhospiz, kennt solche Situationen gut: „In unserer Arbeit begleiten wir schwerstkranke Kinder oftmals über Jahre hinweg und sind auch Ansprechpartner für Eltern und nicht zu vergessen für die Geschwister. Denn auch sie müssen lernen loszulassen. Ansonsten kann das Erlebte und der Verlust, den man erlitten hat, nur schwer verarbeitet werden. Wichtig dabei ist, auch in der Trauer das Kind Kind sein zu lassen und dennoch klar in der Kommunikation zu bleiben. Im optimalsten Fall bezieht man auch Kinder bereits in den Sterbeprozess mit ein. Aktiv Abschied zu nehmen, kann eine wunderbare Erfahrung und auch sehr heilsam sein.“
Prinzipiell können und sollen Kinder jeden Alters in die Abschieds- und Begräbnisfeierlichkeiten einbezogen werden. Kinder beherrschen und spüren mehrheitlich überaus exakt, ob sie den Verstorbenen abermals sehen und ob sie beim Begräbnis dabei sein möchten. Kinderwünsche sollten respektiert und ernst genommen werden. Nichtsdestotrotz muss man die Kinder gut vorbereiten, damit sie verstehen können, was passiert. Sei es die Situation im Krankenhaus, zu Hause oder auch in einem Hospiz. Für Kinder sind dies ganz neue Bilder, ganz neue Geschehnisse, die es einzuordnen gilt. Auch das Aufeinandertreffen mit dem Sterbenden sollte vorbereitet werden. So kann man mit den Kindern Zeichnungen für den Verstorbenen malen oder Blumen aussuchen, die als Geschenk mitgebracht werden. Wenn Kinder auch die Beerdigung begleiten, so ist es wichtig, ihnen eine Bezugsperson zur Seite zu stellen, die Halt und Erklärungen bieten kann. Im optimalsten Fall findet sich eine Person, die nicht zu sehr emotional belastet ist und deren eigene Trauer somit nicht im Vordergrund steht.
Kraft: „Gerade in emotionalen und schwierigen Momenten der Trauer ist es hilfreich, auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen und das Verhalten der Kinder nicht in richtig oder falsch zu bewerten. Das eine Kind mag gedrückt werden, ein anderes zieht sich zurück. Das ist ok. Wichtig ist zu signalisieren: ‚Ich bin für dich da. Auch ich bin traurig, das ist normal. Das teilen wir.’“
Noch schwieriger ist die Situation, wenn jemand ganz plötzlich aus dem Leben gerissen wird und keine Möglichkeit zum Abschied nehmen bestand. Häufig stehen in einem solchen Fall auch die nahen Angehörigen so sehr unter Schock, dass die Auseinandersetzung mit den Kindern vielfach zu kurz kommt. Dann kann eine professionelle Familientrauerbegleitung helfen. Familien sind seelsorgerisch nicht mehr so vernetzt wie früher. Die Kernfamilie, die den Kindern am nächsten steht, sieht sich insbesondere in Zeiten der Trauer mit den emotionalen Problemen, die in den häufigsten Fällen auftreten, überfordert. Der Blick von außen kann aber für viele Menschen ein ganz hilfreicher sein. Wenn jemand, der nicht emotional involviert ist, auch problematische Verhaltensweise der Kinder wahrnimmt, kann eine Ursache leichter ausgemacht werden. Trauer äußert sich in vielerlei Hinsicht. Um die Trauer verarbeiten zu können, muss man allerdings an deren Kern herankommen. Es gibt Trauercoaches, die auf die Begleitung von Familien und Kindern spezialisiert sind. Die Hilfe kann bereits im Vorfeld des Todes in Anspruch genommen werden. Insbesondere wenn ein Elternteil stirbt, fällt es dem überlebenden Elternteil oft schwer, den Kindern die Todesbotschaft zu übermitteln. Trauerbegleiter können bereits bei dieser schweren Aufgabe helfen und dieses so wichtige Gespräch vorbereiten und begleiten.
Hilfe zur Selbsthilfe ist ein weiterer wichtiger Punkt. Je besser der Überbringer der Nachricht mit dem Verlust umgeht, desto besser kann auch ein Kind eine solche Nachricht annehmen. Sobald man selbst eine Überforderung spürt, eine Ohnmacht oder die eigene Trauer einfach zu tief ist, um Kindern Beistand zu leisten, heißt es: Die eigene Trauer akzeptieren und nach Hilfe fragen. Der Verlust eines geliebten Menschen ist eine existentielle Ausnahmesituation und es ist völlig okay, wenn man nicht so funktioniert, wie man es normalerweise gewohnt ist. Je mehr man auf sich selbst achtet, desto mehr kann man auch den Kindern bei ihrer Trauerbewältigung helfen.
Generell kann man sich an 6 wichtigen Punkten in der Trauerbegleitung von Kindern orientieren:
– Fragen bezüglich des Verstorbenes ehrlich und altersgemäß beantworten und die Kinder in ihren Nöten ernst nehmen.
– Kindern Möglichkeiten aufzeigen, das Andenken des Verstorbenen zu erhalten.
– Trauer, Wut und Zorn zulassen, darüber sprechen und die Kinder mit ihren Gefühlen begleiten.
– Einen Blick nach vorne, eine Perspektive schaffen. Trauer ist eine Phase.
– Glücklich sein zulassen, ohne Schuldgefühle haben zu müssen.
– Trauer braucht Raum und Zeit. Gespräche mit den Kindern sollten in einem geschützten Raum und ohne Zeitdruck stattfinden.
Wer seinen Kindern den Umgang mit dem Thema Tod und Trauer erleichtern möchte, beschäftigt sich schon frühzeitig und proaktiv mit diesen Themen und hilft den Kindern auch ohne akuten Todesfall, die Endlichkeit von Leben zu begreifen. Das kann anhand des Sterbens von Tieren geschehen, oder auch thematisiert werden, wenn ein Prominenter oder entfernter Bekannter stirbt.
Je mehr wir den Tod mit in den Alltag einbeziehen, desto natürlich gehen Kinder dann auch damit um, wenn ein Familienmitglied stirbt. Ein Kind zu schonen, bedeutet nicht, den Tod möglichst vor dem Kind geheim zu halten. Kinder müssen zu leben lernen und das mit allen Realitäten, die bestehen. Wer seinem Kind dabei helfen möchte, steht als Ansprechpartner bereit, hört zu und spricht auch vermeintlich schwierige Fragen an. Viele Kinder haben von Natur aus einen viel selbstverständlicheren Zugang zum Thema Tod und Sterben. Sie nehmen das Sterben ganz anders und sehr viel wohlwollender an als viele Erwachsene wahr. Ein solches Tabuthema gemeinsam zu besprechen, dem Kind zu zeigen, dass es alle Themenbereiche des Lebens ansprechen kann, das kann die vorhandene Beziehung zueinander stärken und das Vertrauen festigen. Nur Mut!