Wenn das Leben unerträglich erscheint
Laut Weltgesundheitsorganisation nehmen sich jährlich weltweit über 700.000 Menschen das Leben. In Deutschland waren es im letzten Jahr 10.304 Personen – davon 73 Prozent Männer.
Auch wenn die Zahlen im europäischen Vergleich niedrig sind und sich die Summe der Suizide seit Beginn der Achtzigerjahre nahezu halbiert hat, ist in Deutschland immer noch jeder 100. Todesfall ein Suizid. Somit sterben in Deutschland mehr Menschen durch „vorsätzliche Selbstbeschädigung“ – so werden Suizide in der amtlichen Statistik genannt – als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten, illegale Drogen und AIDS zusammen.
Gründe für Suizidgedanken und Anlaufstellen
Suizide kommen in allen sozialen Schichten und Berufsgruppen vor, ebenso vielfältig und individuell sind die Gründe dafür. Es gibt nicht die eine Ursache für Suizid. Zumeist ist es eine Kombination aus psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, bipolaren Störungen oder Schizophrenie und anderen Faktoren, z.B. körperliche Erkrankungen, belastende Lebensereignisse und Lebenskrisen, Suchterkrankungen oder soziale Isolation.
Für suizidale Menschen mag die Situation, in der sie sich gerade befinden, aussichtslos erscheinen, aber Suizid ist keine Lösung. Es gibt Hilfe. Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) hat unter www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote eine Auflistung von Hilfsangeboten in Deutschland zusammengestellt. Eine erste Anlaufstelle ist auch die Telefonseelsorge unter 0800 /111 0 111 (Evang.) 0800/111 0 222 (Kath.) oder 116 123 ohne Vorwahl.
Suizidalität erkennen heißt Leben retten
Es ist wichtig zu wissen, dass die meisten Menschen nicht sterben wollen. Sie wollen nur nicht so weiterleben, wie sie es gerade tun müssen. Menschen, denen es nicht gut geht und die Suizidgedanken entwickeln, senden fast immer Warnsignale aus.
Die Berliner Fachstelle Suizidprävention setzt sich dafür ein, das Bewusstsein für Suizidalität und deren Warnsignale in der Gesellschaft zu erhöhen. Je größer das Bewusstsein, desto leichter fällt es, das Thema anzusprechen. Informationen gibt es unter www.suizidpraevention-berlin.de/suizidalitaet-erkennen.
Trauerbewältigung von Angehörigen
Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass jeder Suizidtote 5 bis 7 Angehörige zurücklässt, für die der Verlust eines geliebten Menschen durch Suizid eine besonders belastende Erfahrung ist.
Der Verlustschmerz für Angehörige ist oft überwältigend, zugleich sind die Gefühle oft sehr komplex. Zu Schuld- und Schamgefühlen, nicht aufmerksam genug gewesen zu sein, gesellen sich häufig Verwirrung und auch Wut, gegen den Verstorbenen, gegen sich selbst und gegen andere, oft begleitet von dem Gefühl, nicht verstanden zu werden, isoliert zu sein.
Psychotherapeut*innen oder spezialisierte Trauerbegleiter*innen können dabei helfen, die Trauer zu verarbeiten. Gespräche mit Freunden, Familie oder anderen vertrauten Personen, aber auch der Austausch mit anderen Betroffenen können ebenso trösten. Der Verein AGUS – Angehörige um Suizid ist die bundesweite Selbsthilfeorganisation für Trauernde, die einen nahe stehenden Menschen durch Suizid verloren haben. Dabei ist es unerheblich, wie lange der Suizid her ist. www.agus-selbsthilfe.de
Jede*r Betroffene trauert individuell und findet anders Trost. Deshalb ist es wichtig, der Trauer Raum zu geben, sie nicht zu verschweigen, sondern sie genau so zu leben, wie es sich stimmig anfühlt.
Ein neuer Umgang mit dem Tod
Der renommierte Trauerexperte Roland Kachler hat nach dem Unfalltod seines 16-jährigen Sohnes gemerkt, dass die traditionellen psychologischen Trauermodelle des „Loslassens“ nicht funktionieren. Er hat einen neuen Weg der Trauerbewältigung gesucht und gefunden. Kachlers Ansatz zielt nicht darauf ab „loszulassen“, vielmehr geht es darum, äußerlich die Abwesenheit des geliebten Menschen anzuerkennen und zu akzeptieren – und gleichzeitig eine neue Form der Verbindung zu ihm zu finden. So wird ein innerer Ort erschaffen, an dem der verstorbene Mensch sicher „verankert“ ist und in einer veränderten Weise weiterleben kann. Wenn wir erkennen, dass der geliebte Mensch durch unsere Liebe niemals wirklich verloren geht, kann die Trauer mit der Zeit verarbeitet und weitergelebt werden.
Roland Kachlers Buch „Meine Trauer wird dich finden“ ist im Verlag Herder erschienen. Das Buch enthält viele praktische Übungen, Hinweise und Tipps.
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