Erbe und kein Testament

Wer bekommt eigentlich was?

Ein Erbe oder eine Erbin ist, wer zum Rechtsnachfolger und damit Eigentümer des Nachlasses einer verstorbenen Person bestimmt wurde. Das kann durch den letzten Willen eines Verstorbenen erfolgen oder durch die gesetzliche Erbfolge. Ohne testamentarische Regelung greift die im Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegte gesetzliche Erbfolge. Sie ist hierarchisch in mehrere Ordnungen gegliedert, das heißt, Verwandte einer vorrangigen Ordnung schließen Verwandte entfernterer Ordnungen aus. 

Erben erster Ordnung: Nachkommen

Kinder eines oder einer Verstorbenen stellen die Erben erster Ordnung dar (adoptierte Kinder sind den ehelichen Kindern erbrechtlich gleichgestellt). Sie teilen sich das Erbe mit dem überlebenden Ehepartner. Für bereits verstorbene Kinder rücken Enkelkinder nach, denen der gleiche Erbteil zusteht, der ihrem Elternteil zugestanden hätte.

Erben zweiter Ordnung: Eltern und ihre Nachkommen

Gibt es keine Kinder und Enkelkinder, geht das Erbe auf Verwandte der zweiten Ordnung über. Das sind zunächst die Eltern und – wenn diese nicht mehr leben – die Geschwister und in weiterer Folge die Nichten und Neffen des Verstorbenen. War die Person nicht verheiratet und sind die Eltern noch am Leben, steht ihnen jeweils die Hälfte des Erbes zu. Der Anteil eines bereits verstorbenen Elternteils geht an die (Halb-)Geschwister des Verstorbenen bzw. deren Kinder über.

Erben dritter Ordnung: Großeltern und ihre Nachkommen

Dass ein Erbe an Verwandte der dritten Ordnung übergeht, kommt selten vor, nämlich dann, wenn der oder die Verstorbene keine Kinder und Enkelkinder hat, wenn beide Elternteile bereits verstorben sind und er oder sie entweder keine Geschwister hatte oder diese bereits verstorben sind und keine Kinder hatten. Dann fällt die Erbschaft den Großeltern bzw. deren Kindern und Kindeskindern zu, also Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen des Erblassers.

Gesetzliche Erbfolge bei Ehepartnern

Eheleute sind nicht miteinander verwandt, denn Verwandtschaft ist stets Blutsverwandtschaft. Da der Ehepartner aber zu den nächsten Angehörigen gehört, hat der Gesetzgeber auch für sie ein Erbrecht vorgesehen. Für Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gilt dasselbe (§ 10 LPartG). Nach § 1931 Abs. 1 BGB erbt der überlebende Ehepartner neben Verwandten der ersten Ordnung (eigene Nachkommen) ein Viertel der Erbschaft, neben Verwandten der zweiten (Eltern und deren Nachkommen) oder dritten (Großeltern und deren Nachkommen) Ordnung die Hälfte der Erbschaft.

Haben Eheleute zu Lebezeiten keinen Ehevertrag aufgesetzt, sondern im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, erfolgt nach dem Tod eines Ehepartners ein Zugewinnausgleich. Der Begriff ist eher aus dem Eherecht bekannt und meint, dass Verheiratete oder Verpartnerte im sogenannten Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Gemeint ist damit keine Gütergemeinschaft, sondern vielmehr die Gütertrennung, da ohne Ehevertrag jeder Ehepartner das eigene Eigentum behält. Im Falle einer Scheidung erfolgt ein sogenannter Zugewinnausgleich. Dabei wird das Vermögen beider Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung und bei Beendigung der Ehe gegenübergestellt und der Zugewinn an Vermögen im Anschluss zur Hälfte ausgeglichen. Wird eine Ehe nicht durch Scheidung, sondern durch den Tod eines Partners aufgelöst, findet kein Vergleich des Vermögens statt, die Zugewinngemeinschaft wird pauschal berücksichtigt, indem der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehepartners pauschal um ein Viertel der Erbschaft erhöht wird (§ 1371 BGB). Erbrechtlich betrachtet erhält der Ehepartner dann

die Hälfte des Nachlasses bei vorhandenen Verwandten der ersten Ordnung,

drei Viertel des Nachlasses bei vorhandenen Verwandten der zweiten oder dritten Ordnung,

den ganzen Nachlass, sofern weder Verwandtschaft der ersten, zweiten oder dritten Ordnung vorhanden ist.

Falls über den Nachlass nicht testamentarisch verfügt wurde und keine Nachkommen, Ehepartner oder Verwandte den Verstorbenen beerben können, geht das Erbe auf den Staat, genauer auf jenes Bundesland über, in dem der Verstorbene zuletzt gewohnt hat.

Wer ist nicht erbberechtigt?

Grundsätzlich nicht erbberechtigt sind Schwager oder Schwägerinnen und Stiefkinder, da keine Blutsverwandtschaft mit dem Erblasser besteht. Dasselbe gilt für geschiedene Ehepartner, denn mit der Scheidung endet die gesetzliche Erbfolge für Eheleute.

Anders als viele meinen, haben auch unverheiratete Lebenspartner keinen Anspruch, den oder die Verstorbene zu beerben. Für sie kommt weder das gesetzliche Erbrecht noch das Pflichtteilsrecht zur Anwendung. Unverheiratete Partner gehen ohne Testament oder Erbrechtsvertrag vollkommen leer aus, was im Falle von gemeinsam angeschafften Immobilien schwerwiegende Folgen haben kann.

Erbengemeinschaften 

Alleinige Erben, können über den Nachlass verfügen, wie ihnen beliebt. Üblicherweise entstehen durch die gesetzliche Erbfolge aber sogenannte Erbengemeinschaften. Jedem Mitglied dieser Erbengemeinschaft gehört dann nur ein Teil der Erbmasse, der Nachlass insgesamt gehört allen gemeinsam. Das bedeutet, dass alle Miterben gemeinsam entscheiden, was mit dem Nachlass passieren soll. Das betrifft auch persönliche Nachlassgegenstände und familiäre Erinnerungsstücke. Alleinerben bleiben so lange Eigentum der gesamten Erbengemeinschaft, bis sich alle Mitglieder darüber einigen konnten, wer was kriegen soll. 

Da hier ein großes Konfliktpotenzial liegt, kann es sinnvoll sein, ein Testament zu verfassen, in dem ein Testamentsvollstrecker bestimmt wird, dessen Aufgabe es ist, Streit innerhalb der Erbengemeinschaft zu schlichten bzw. zu vermeiden.

Abwicklung von Erbengemeinschaften

Erbengemeinschaften sind darauf ausgelegt, aufgelöst bzw. auseinandergesetzt zu werden. Oft ist auch die Rede von der Abwicklung der Erbengemeinschaft.

Die Abwicklung geschieht üblicherweise durch die Aufteilung des Nachlasses. Hierfür müssen zunächst alle Verbindlichkeiten, die mit dem Erbfall oder Nachlass verbunden sind, beglichen werden, der Nachlass also aufgelöst wird. Fehlt das notwendige Geld, müssen gegebenenfalls Nachlassgegenstände verkauft werden – bei beweglichen Gegenständen zumeist durch Teilungsverkauf (auch Pfandverkauf genannt), bei Immobilien durch die Teilungsversteigerung (auch Auseinandersetzungsversteigerung genannt). Abschließend wird der übrig gebliebene Rest unter allen Miterben aufgeteilt.

Eine Alternative zur Auflösung der Erbengemeinschaft kann im Verkauf des Erbanteils bestehen – entweder an jemanden aus der Erbengemeinschaft oder an eine fremde Person (Achtung: Die Zustimmung der Miterben wird nicht benötigt, diese genießen aber ein Vorkaufsrecht). Eine weitere Möglichkeit, die vor allem dann sinnvoll sein kann, wenn sich die Auseinandersetzung des Nachlasses lange hinzieht, aber schnell liquide Mittel benötigt werden, nennt sich Abschichtung. Hierbei erfolgt eine Auszahlung durch die Miterben. Im Gegenzug für diese finanzielle Abfindung wird auf den Erbanteil verzichtet und Alleinerben scheiden aus der Erbengemeinschaft aus (Achtung: Auch nach dem Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft bleiben sie persönlich haftbar. Bei überschuldetem Nachlass ist die Abschichtung also nicht ratsam.)

Konflikte entstehen meist dann, wenn sich Mitglieder der Erbengemeinschaft untereinander nicht einig werden. Da laut § 2042 Abs. 1 BGB jeder Miterbe ein Anrecht auf Auseinandersetzung hat, bleibt am Ende oft nur die Erbauseinandersetzungsklage, also die gerichtliche Erzwingung der Aufteilung des Nachlasses, um so den Erbteil ausgezahlt zu bekommen.

Fazit

Fest steht: Ohne Testament ist der Ärger oft groß. Denn das Erbrecht ist zwar klar, aber bei weitem nicht ohne Tücken. Es nimmt keine Rücksicht auf individuelle Lebensentwürfe, Wahlverwandtschaften oder Regenbogenfamilien, sondern gibt entfernten Verwandten, die im schlimmsten Fall unbekannt sind, den Vorzug. 

Weiterführende Informationen zum Erbrecht werden in der Broschüre „Erben und Vererben“ des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz bereitgestellt.