Erbrechtsfallen und -mythen

Wer die Wohnung des Verstorbenen zuerst betritt, erbt die Schulden! 

Wir haben die wichtigsten Mythen und Fallstricke, die es beim Erben und Vererben zu beachten gibt, zusammengetragen.

VERERBEN

Ich brauche kein Testament. Mein Ehepartner und ich sind kinderlos geblieben, somit erbt er oder sie ohnehin alles. 

Vielen Paaren ist gar nicht bewusst, dass der Tod des Partners auch für die eigene Existenz eine Bedrohung darstellen kann. Denn nur allzu oft wird die gesetzliche Erbfolge vergessen, die immer dann greift, wenn es kein Testament gibt. Das bedeutet, dass der Verwandtschaft des Verstorbenen auch Teile der Erbmasse zustehen. Und zur Erbmasse gehört nicht nur Geld: den Schwiegereltern gehören dann beispielsweise auch ein Drittel der Einbauküche, ein Drittel des Sofas, des Autos, des Fernsehers usw. Um das zu vermeiden, führt kein Weg an einem Testament vorbei.

Mein Lebensabschnittsgefährte und ich sind seit Jahrzehnten ein Paar.

Hinterbliebene Beziehungspartnern stehen noch schlechter da als Ehegatten. Ist ein Paar nicht verheiratet oder verpartnert, erben sie ohne testamentarische Verfügung überhaupt nichts. Denn weder das gesetzliche Erbrecht noch das Pflichtteilsrecht sieht einen Anspruch für sie vor.

Mein Testament habe ich in der Cloud gespeichert – dort ist es am sichersten.

Dateien in der Cloud mögen vielleicht sicherer sein als Dateien auf dem Computer. Ein Testament ist aber keine Datei, sondern ein Dokument. Es muss nach dem Tod gefunden werden, damit es rechtsgültig ist. Das Testament ausgedruckt zu den Unterlagen zu legen, ist aber auch keine gute Idee. Denn Gültigkeit besitzt ein Testament – sofern es nicht notariell beglaubigt wurde – nur dann, wenn es mit der Hand verfasst und unterschrieben wurde. 

Achtung: Es kommt nicht selten vor, dass Testamente, die zu Hause aufbewahrt werden, nach dem Tod des Verfassers entweder nicht gefunden oder gar unterschlagen bzw. verfälscht werden. Einzig die Hinterlegung beim Nachlassgericht garantiert die Auffindung und Vollstreckung eines Testaments.

Meine Tochter ist eine einzige Enttäuschung. Die soll nichts kriegen, ich habe sie enterbt.

Werden Angehörige enterbt, bedeutet das mitnichten, dass sie leer ausgehen. Denn sie haben einen Pflichtteilanspruch, der nur in Ausnahmefällen entzogen werden kann. Eine ungeliebte Tochter müsste sich schon in die Kriminalität begeben oder dem Verstorbenen nach den Leben getrachtet haben, um ihren Anspruch zu verlieren. In welchen Fällen die Entziehung des Pflichtteils droht, ist in § 2333 BGB geregelt. Die Höhe des Pflichtteils ist gesetzlich festgelegt und wird in bar von der im Testament als Erben bestimmte Person ausgezahlt.

Wichtig: Ein Erbe aus einem Pflichtteilsanspruch muss schriftlich bei den Erben eingefordert werden. Ab dem Jahr nach Bekanntwerden der Erbschaft bleiben dafür drei Jahre. 

Die Kinder meines zweiten Ehemannes liebe ich wie meine eigenen. Ich hoffe, sie werden auch so behandelt, wenn ich einmal nicht mehr bin.

Es ist erfreulich, wenn Erwachsene und ihre Stiefkinder ein so gutes Verhältnis haben. Doch darauf zu hoffen, dass sie nach dem Ableben etwas erben werden, reicht nicht aus. Soll der Zuneigung Ausdruck in Form einer Erbschaft verliehen werden, muss ein Testament aufgesetzt werden, in dem die Stiefkinder bedacht sind. Laut gesetzlicher Erbfolge des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) haben nämlich nur eheliche, uneheliche und adoptierte Kinder einen Erbanspruch.

Mein Sohn verlangt den Pflichtteil jetzt schon. Ich muss wohl alles Geld zusammenkratzen und ihn auszahlen.

Dieser Irrtum ist schnell ausgeräumt: Solange man lebt, hat kein Kind Anspruch auf das Erbe und ist somit auch nicht berechtigt, den Pflichtteil einzufordern.

Mein Testament besteht nur aus Stichpunkten. Meine Angehörigen kennen mich so gut, die wissen schon, was ich meine. 

Ein Testament, dessen Beweiskraft als rechtliche Urkunde nicht gegeben ist, ist unwirksam. Anders gesagt: Der letzte Wille muss klar aus dem Testament hervorgehen, sonst ist es nicht mehr als ein Blatt Papier. 

ERBEN

Tante Ida hat mir stets ins Ohr geflüstert, dass ich einmal alles erbe. Also bin ich ihr alleiniger Erbe.

Eine mündliche Äußerung ist leider kein Beweis dafür, dass es tatsächlich ein Testament gibt oder dass ein Alleinerbe bestimmt wurde. Um erben zu können, muss die Erbberechtigung nachgewiesen werden – in aller Regel wird hierfür das originale Testament benötigt. 

Ich habe eine Erbschaft gemacht, die ich nicht will. Am besten warte ich erst einmal ab, bis sich das Nachlassgericht nochmals meldet.

Nach wie vor gehört es zu den größten Irrtümern beim Erben, dass ein Erbe ausdrücklich angenommen werden muss. Richtig ist jedoch, dass Personen durch Eintritt der gesetzlichen Erbfolge oder Personen, die in einem Testament als Erbe bestimmt wurden, automatisch Erbe werden. Den Brief vom Nachlassgericht zu ignorieren, wäre daher nicht ratsam, schließlich könnte sich später herausstellen, dass Schulden zum Nachlass gehören.

Will man das Erbe nicht antreten, muss es ausschlagen werden, entweder beim Notar oder direkt beim Nachlassgericht. In Deutschland ist dafür sechs Wochen Zeit. Die Ausschlagungsfrist beginnt mit Kenntnisnahme des Erbfalls. Wer im Ausland lebt, hat eine Frist von sechs Monaten.

Meine Mutter hat mich enterbt und ihr gesamtes Vermögen stattdessen ihrem Kater Gustav vermacht. Ich bekomme nichts.

Was für Tierliebhaber einem Affront gleichkommen mag, stellt sich für Enterbte als Glücksfall dar: Vor dem Gesetz gelten Tiere als Sachen. Sie sind keine Rechtssubjekte, somit nicht rechtsfähig und auch nicht erbfähig. Ein Testament, in dem ein Haustier als Erbe eingesetzt wurde, ist unwirksam – die gesetzliche Erbfolge setzt ein und die Tochter wird Erbe.

Im Mietvertrag steht nur mein Ehemann. Uns hat das nie gestört, doch jetzt, da er gestorben ist, befürchte ich, mir auch noch eine neue Wohnung suchen zu müssen.

Stirbt ein Ehepartner, so hat der Vermieter kein Recht, die gemeinsame Wohnung zu kündigen, selbst dann nicht, wenn einer der Ehepartner den Mietvertrag selbst nicht unterschrieben hat. Der Wortlaut in Paragraph 563 BGB ist unmissverständlich:

„Der Ehegatte oder Lebenspartner, der mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt führt, tritt mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein.“

Ich brauche einen Erbschein, um Erbschaftsangelegenheiten zu regeln.

Hartnäckig hält sich die Meinung, dass für bestimmte Erbschaftsangelegenheiten wie die Übertragung einer Immobilie in jedem Fall ein Erbschein benötigt wird. Doch diese Aussage entspricht nicht ganz der Wahrheit. Wenngleich das Grundbuchamt nach § 35 Abs. 1 der Grundbuchordnung zwar berechtigt ist, einen Erbschein als Nachweis der Erbenstellung zu verlangen, ist die Überschreibung einer Immobilie auch durch Vorlage eines notariellen Testaments oder Erbvertrags möglich. In diesem Fall kann die Grundbuchänderung beim regional zuständigen Grundbuchamt mittels Antrag auf Berichtigung direkt in die Wege geleitet werden. Ein privatschriftliches Testament reicht hierfür aber leider nicht aus. In diesem Fall wird als Nachweis der Erbenstellung tatsächlich ein Erbschein benötigt, der beim zuständigen Amtsgericht eingeholt werden muss. Ob mit Erbschein oder durch beglaubigte letzte Verfügungen: In den ersten zwei Jahren ist der Grundbuchübertrag immer gebührenfrei.

Mein Vater hatte ein Schwarzgeldkonto in Lichtenstein. Glücklicherweise geht mich das nichts an.

Mit Eintritt der Erbschaft gehört dem Erben der gesamte Nachlass, also auch eventuell vorhandenes Schwarzgeld. Mit Eintritt der Erbschaft beginnt auch die Haftung für den gesamten Nachlass, also auch für hinterzogene Steuern. Sollten festgestellt werden, dass der Erblasser Schwarzgeld hinterlassen hat, muss der Fund unverzüglich dem Finanzamt gemeldet werden. Ein Versäumnis wird zum Straftatbestand.

Ich wurde von meiner Erbengemeinschaft überstimmt. Die goldene Uhr, die ich so gerne gehabt hätte, kriegt jetzt Cousine Erna.

Da alle Mitglieder einer Erbengemeinschaft gleichberechtigt sind, wird auch immer die Zustimmung aller Erben benötigt. Ein Mehrheitsrecht gibt es nicht, auch nicht bei der Verteilung einzelner Nachlassgegenstände.